Depression

Rehabilitation – Wie das Gesundheitssystem mit Tabletten vollstopft

psycho reha

Meine psychosomatische Reha macht mir heute noch Bauchschmerzen, denn ich verbinde schlechte Gefühle mit dieser Zeit. Im Grunde bin ich davon ausgegangen, dass man mir dort helfen kann. Das ich mitwirken muss und dass Heilung ein Prozess ist und oft nicht einfach, war mir klar. Leider hat die Rehaklinik bei mir komplett versagt und vielmehr ist mir bewusst geworden, wie wenig man bei diesem Weg wirklich von Heilung sprechen kann.

Das Gesundheitssystem steckt depressive Menschen in eine Reha und erwarten eine Wunderheilung

Für mich war es ein Ort, an dem sich alles tummelte, was bei der Krankenkasse als krankgemeldet aufgrund psychischer Ursachen galt. Man wollte in dieser Anstalt 3 Dinge: vorzeitige Rentenanträge abwimmeln, kranke Menschen wieder gesundschreiben und Antidepressiva verordnen. Die Rehaklinik ist die Weiche deines Krankheitsverlaufes. Davor bekommst du für eine gewisse Zeit eine Krankmeldung, aber wirst du in dieser Zeit nicht gesund, geht’s ab in die Anstalt, dort machen sie dich wieder gesund. Zumindest auf dem Papier. 

Statt zu lernen, persönliche Grenzen zu erkennen, wurden diese niedergetrampelt

In der Rehaklinik brachen sie mir den Willen, indem bei Nichterscheinen zu Kursen Abmahnungen erteilt wurden, wobei drei Abmahnung eine Selbstzahlung der Reha mit sich brachten. Kam man zu spät zu den Schließzeiten, wurde man angebrüllt. Sollte man doch in dieser Zeit eher lernen, seine körperlichen und seelischen Grenzen kennenzulernen, wurden diese Grenzen regelmäßig überschritten. Natürlich ist es gut, seinen Arsch hochzukriegen, aber die vielen unterschiedlichen Diagnosen mit einer Wunderwaffen heilen zu wollen, funktioniert nicht. Und auf keinen Fall mit dieser Art und Weise.

Ich hatte die Wahl: 6 Wochen Zwang in der Klinik oder keine weitere Unterstützung

Man zog mich aus meinem stabilen Umfeld, in welchem ich auf einem guten Weg war, mit meiner Therapeutin einen Ansatz zu finden. Sechs Wochen hatte ich nun Zeit, mich einer neuen Therapeutin zu öffnen und erneut meinen Leidensweg zu schildern. Wie soll man das bitte anstellen, wenn man keine Ahnung hat, was mit einem los ist, überfordert ist und sich für seine Symptome schämt? Wie soll man sich in sechs Wochen in einer neuen Umgebung zurechtfinden, Vertrauen aufbauen, seine Geschichte erzählen, das Leben neu ordnen und Basteln, Töpfern und Schwimmen gehen und sich in Gruppengesprächen die Scheiße der anderen reinziehen. Seid ihr eigentlich total bescheuert?

Nach drei Wochen bekam ich übrigens aus betrieblichen Gründen einen neuen Therapeuten und durfte meine Geschichte noch einmal erzählen. Als ich fertig war, war die Rehazeit vorbei. Ein gutes hatte es: Ich wurde ein Pro darin, auszudrücken, wie es in mir aussieht. 

Das Wundermittel der Klinik: Antidepressiva

Das Topping der ganzen Dosensuppe war ein Vortrag über Medikamente. Das ganze Haus kam in einem Saal zusammen. Am anderen Ende stand ein Arzt im weißen Kittel, der eine PowerPoint Präsentation hielt. Er sprach über Antidepressiva, als wären sie unsere Erlösung. Er erklärte uns die Funktionsweise an den Synapsen und dass die Dinger so gut wie keine Nebenwirkungen haben. In „Bist du auch auf Antidepressivum“ kannst du noch mehr zu dem Thema lesen. Ich kam mir in diesem Saal vor, als wäre ich auf einer Kaffeefahrt. Nach diesem Vortrag wurden meine Medikamente auf eine höhere Dosis eingestellt. 

Antidepressiuvum
Nachdem man mir den Willen brach, mich mit Tabletten vollstopft und meine Grenzen überschritt, wurde ich als geheilt entlassen

Nachdem ich höher eingestellt wurde und meine Tage dort vor Ort immer dunkler wurden, gab es eine Abschlusserhebung mithilfe eines Fragebogens. Man verglich die Ergebnisse und stellte fest, dass es mir schlechter ging als vor Beginn der Reha. Die Begründung seitens der Klinik war einfach: Man wäre in den sechs Wochen auf mein Problem gestoßen und hätte es ans Licht gebracht. Dadurch beschreiben Patienten sehr oft eine Verschlechterung. Was für ein Bullshit!

Im Abschlussgespräch erklärte man mir, man schreibe mich wieder gesund, das wäre das Beste für mich. So könnte ich nur mit einer Gesundmeldung meine berufliche Perspektive angehen. Und so verließ ich die Reha: trauriger und missmutiger als vorher, aber mit einem Sack voller neuer starker Medikamente und einer Gesundmeldung für den Arbeitsmarkt. 

Wie ging es weiter?

Die Rehaklinik und die Medikamente haben mich zurückgeworfen. Nachdem ich wieder zuhause war, hatten meine Therapeutin und ich mehr Arbeit als vorher. Wir musste uns wieder annähern, ich musste die vergangenen Wochen verarbeiten und ich hatte Angst. Angst, in diesem Zustand auf den Arbeitsmarkt zu gehen. Doch ich ging nicht und das war gut so. Ich habe verstanden, dass niemand über meine Grenzen gehen darf und ich das auch nicht von mir selbst verlange. Ich war dazu noch nicht bereit und ich nahm mir die Zeit, die ich brauchte, um gesund zu werden. Meine Therapeutin, Meditation, Reiki und meine Hündin Aura halfen mir, Dinge besser zu verstehen und mich kennen und lieben zu lernen. 

Mühselig reduzierte ich die Tabletten und fand durch meine Psychotherapeutin und die alternative Medizin zurück ins Leben

Kurz nach der Reha schlich ich meine höhere Dosis Antidepressivum aus. Zunächst erzählte ich meiner Therapeutin nichts davon. Aber irgendwann konnte ich es nicht mehr für mich behalten und sie reagierte sehr positiv. Ich hatte tatsächlich Angst davor, ein fremder Mensch wäre auf mich sauer, wenn ich die Tabletten nicht nehme, von denen ich zutiefst verabscheue. 

Abschließend möchte ich mit dem Text niemanden abhalten, eine Reha zu machen. Einigen vor Ort tat der Aufenthalt ganz gut und im schlimmsten Fall ist dies ein geschützter Ort, an dem wahrscheinlich schon einiges verhindert wurde. Ich möchte aber auch aufklären und sagen, dass nicht alles so rosig ist, wie es scheint. Für mich war es ein Ort, der eindeutig vom Geld regiert wird und schulmedizinische Ansätze durchdrückt, die bei mir auf ganzer Linie versagt haben. Erst eine Mischung aus Verhaltenstherapie und alternativer Medizin hat in mir eine Heilung ausgelöst.

Was kann ich tun, wenn ich Hilfe brauche, aber nicht in die Klinik möchte?

Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, eine Tagesklinik zu besuchen, in der man alternative Heilverfahren ausprobieren kann und gleichzeitig nicht ganz aus seinen Strukturen gerissen wird. Dieser Schritt wird von vielen Betroffen als sanfter und weniger radikal eingestuft, als sich über mehrere Wochen in eine fremde Umgebung zu begeben.

Suchst du eine Therapie und benötigst Hilfe dabei? Dann kannst du dich an den Psychotherapie-informationsdienst werden.

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In den Texten kannst du noch mehr darüber lesen, was mir geholfen hat, mein Burnout und meine Depression in Richtung Heilung zu bringen:

// Photos by Nicholas Kusuma, Kristopher Roller and The Tonik

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